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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 14 U 2516/01
Rechtsgebiete: DÜG, ZPO, HeilprG, HeilmittelwerbeG, UWG, BGB


Vorschriften:

DÜG § 1
ZPO § 543 Abs. 1
HeilprG § 1
HeilprG § 1 Abs. 1
HeilprG § 1 Abs. 2
HeilprG § 2 Abs. 2
HeilprG § 3
HeilmittelwerbeG § 3 Satz 2 Nr. 2a
UWG § 1
UWG § 3
BGB § 670
BGB § 683
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 14 U 2516/01

Verkündet am 23.04.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kaiser, Richterin am Landgericht Dr. Schröpfer und Richter am Landgericht Dr. Trepper

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig, 6 HKO 2049/01, vom 29.08.2001 abgeändert.

Die Klage in Antrag und Tenor Ziffer 1 a wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 47 %, der Beklagte zu 53 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Beschwer des Klägers beträgt 7.500,00 DM (3.834,69 Euro).

Die Beschwer des Beklagten beträgt 7.986,85 DM (4.083,61 Euro).

Streitwert: 15.486,85 Euro.

Tatbestand:

Das Landgericht hat am 29.08.2001 folgendes Urteil verkündet:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500. 000, 00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) die Methode der Spezial-Ohrpunktur zur Raucherentwöhnung außerhalb der Praxisräume anzuwenden;

b) für eine Raucherentwöhnung, insbesondere in Zeitungsanzeigen, wie folgt zu werden:

"Nach dem Seminar, in dem die Gäste "ohne erhobenen Zeigefinger" vieles über das Thema Rauchen erfahren, sind Sie dann das, was Sie sich vielleicht schon lange erträumt haben:

Endlich Nichtraucher!"

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 486, 85 DM nebst 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1988 (BGBl. I S. 1242) aus 315,65 DM vom 13.10.2000 bis 27.02.2001 und aus 486, 85 DM seit dem 28.02.2001 zuzahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/5, der Beklagte 4/5 zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 DM. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Mit seiner Anschlussberufung wendet sich der Kläger gegen die teilweise Abweisung der Klage und beantragt, Ziffer 1.b) des Urteils wie folgt neu zu fassen:

b) Für eine Raucherentwöhnung, insbesondere in Zeitungsanzeigen, wie folgt zu werden:

"Nach dem Seminar, in dem die Gäste "ohne erhobenen Zeigefinger" vieles über das Thema Rauchen erfahren, sind sie dann das, was sie sich vielleicht schon lange erträumt haben:

Endlich Nichtraucher!"

und/oder

eine solche Werbung unter Nennung seines Namens zu dulden.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist teilweise begründet, da der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass es sich bei der Tätigkeit des Beklagten um Ausübung der Heilkunde handelt (I.). Soweit dem Beklagten die streitgegenständliche Werbung untersagt wurde, haben Berufung und Anschlussberufung keinen Erfolg (II.)

I.

1. Auf die Ausführungen zur Klagebefugnis des Klägers im Urteil des Landgerichts Abschnitt 1.1. wird Bezug genommen.

2. Zu Recht, hat das Landgericht auch die Passivlegitimation des Beklagten bejaht. Auf die Ausführungen im Urteil unter 1.2. wird verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im 06.06.2001 hatte der Beklagtenvertreter erklärt, auf den Seminaren seien außer den entsprechenden Klienten, die sich der Raucherentwöhnung unterziehen wollen, auch Heilpraktiker anwesend gewesen, die vom Beklagten angewiesen werden. Auch wenn es sich dabei nicht um konkrete Anweisungen zur Akupunktierung einzelner Seminarteilnehmer handeln sollte, wie in der Berufung vorgetragen wird, ist der Beklagte aber jedenfalls der fachliche Leiter der Seminare. Nach eigener Aussage erläutert er in den Seminaren die von ihm entwickelte Akupunkturmethode im Hinblick auf Anzahl der zu setzenden Akupunkturnadeln und der einschlägigen Akupunkturpunkte. Heilkunde i.S.d. § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz übt derjenige aus, der Heilbehandlungen selbst aktiv und fachlich eigenverantwortlich ausübt oder in solche Behandlungen in fachlicher Hinsicht - durch Weisungen oder in anderer Weise - eingreift (BGH, GRUR 92, 175). Es kommt demnach weder darauf an, ob der Beklagte auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Seminare schafft, noch darauf, ob er die Akupunkturnadeln eigenhändig setzt.

3. Der Antrag auf Untersagung der Anwendung der Ohrakupunkturmethode hat dennoch keinen Erfolg, weil nicht festgestellt werden konnte, dass von dieser Behandlungsmethode gesundheitliche Gefahren ausgehen, die nicht nur geringfügig sind.

Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ist die in § 2 Abs. 2 Heilpraktikergesetz enthaltene Definition des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" verfassungkonform auszulegen. Demnach ist es als ein Wesensmerkmal des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" anzusehen, dass die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse voraussetzt und dass die Behandlung gesundheitliche Schädigungen verursachen kann. Dabei reicht ein nur geringfügiges Gefahrenmoment unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht aus, um die Tätigkeit von einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Heilpraktikergesetz abhängig zu machen. Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes (BVerwG NJW 73, 579 - Kaltkauterverfahren, BGH GRUR 2001, 1170 - optometrische Leistungen II), selbst wenn sie zu ordnungsgemäßer Vornahme ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen (BVerwG NJW 70, 1987 - Chiropraktik).

Der Beklagte hat die Behauptung des Klägers bestritten, dass bei der Anwendung seiner Akupunkturmethode gesundheitliche Schädigungen auftreten können. Auch mittelbare Gesundheitsgefahren können nicht ohne weiteres angenommen werden. Es erscheint nicht plausibel, dass ein Raucher, der mit dem Rauchen aufhören will und deshalb eines der streitgegenständlichen Seminare besucht, davon abgehalten wird, einen Arzt zur Behandlung eventuell bereits durch das Rauchen verursachter Beschwerden aufzusuchen. Selbst Nikotinsüchtige, die sich von der vom Beklagten entwickelten Methode Erfolg versprechen, können sich nicht in trügerischer Sicherheit wiegen (wie etwa die Kunden, die den Augeninnendruck vom Optiker messen lassen, BGH GRUR 2001, 1170, oder Patienten eines Heilmagnetisierers, BVerwG NJW 1994, 3024), da ihnen jederzeit klar sein muss, ob die Methode Erfolg hatte oder ob sie weiterhin rauchen.

Zur Klärung dieser Streitfragen hat der Senat am 08.01.2002 einen Beweisbeschluss zur Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens verkündet. Der Beweisbeschluss fragt ausdrücklich nach unmittelbaren und mittelbaren Gesundheitsgefahren, auch nach solchen, die durch die unsachgemäße Anwendung durch Laien auftreten können. Der Kläger hat jedoch im Schriftsatz vom 20.03.2002 ausdrücklich auf die Einholung eines Gutachtens verzichtet. Er ist somit für den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen aus §§ 1, 3 Heilpraktikergesetz beweisfällig geblieben.

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht das Schreiben des Direktors der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Prof. Dr. med. K.-B. H nicht aus, ein wettbewerbswidriges Handeln des Beklagten zu bejahen. Der um Benennung eines Gutachters gebetene Klinikdirektor hat in seinem Schreiben vom 25.01.2002 bereits mitgeteilt, Nikotinsucht sei ein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild und die Gesundheitsgefahren bei der Ohrakupunktur seien als recht gering zu erachten. Dementsprechend sieht sich der Senat - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 20.03.2002 - außer Stande, die strittige Frage ohne Einholung eines detaillierten Gutachtens zu Gunsten des Klägers zu beantworten.

II.

1. Der Beklagte ist für den auf Unterlassung - der streitgegenständlichen Werbung gerichteten Anspruch passivlegitimiert. Der Beklagte hat Kenntnis von den wiederholt erscheinenden Anzeigen (u.a. 20.02.2000, Ende August/Anfang September 2000, 01.12.2000, 23.03.2001) und ist auf den Seminaren anwesend, um fachliche Anleitungen zu geben und seine Methode zu vermitteln, er erhält Honorar von seiner Lebensgefährtin, Frau P L, die die Deutsche Nichtraucherhilfe allein betreibt, die Seminare veranstaltet und die Anzeigen schaltet.

Ob der Beklagte die Anzeigen selbst verfasst hat, kann bei dieser Sachlage dahinstehen, da er jedenfalls verpflichtet ist, die ihm bekannte Werbung zu überprüfen und die Irreführungsgefahr zu beseitigen. Der Beklagte haftet zumindest als Begünstigter der Wettbewerbsverletzung, denn diese bringt seinem eigenen Wettbewerb Vorteile. Er hat sie somit zu verhindern, da es wettbewerbswidrig ist, aus fremdem wettbewerbswidrigem Handeln wissentlich Vorteile zu ziehen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 327a).

Der Beklagte ist in der Lage, auf den Inhalt der Anzeige Einfluss zu nehmen. Dafür spricht nach den geschilderten Verhältnissen bereits der Anschein, den der Beklagte nicht entkräftet hat. Er ist nicht lediglich als abhängige Hilfsperson anzusehen, die nur fremde Anordnungen ohne eigenen Entscheidungsspielraum mit entsprechendem Verantwortungsbereich ausführt (Baumbach/Hefermehl, aaO, Einl. UWG Rdn. 327b). Dass Frau L in irgendeiner Weise fachlich-inhaltlich Einfluss auf die Durchführung der Seminare nehmen würde, hat der Beklagte nicht behauptet.

Der Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Werbung ist nach § 3 Satz 2 Nr. 2a Heilmittelwerbegesetz sowie nach §§ 3, 1 UWG gerechtfertigt.

Das Heilmittelwerbegesetz ist einschlägig, da sich die Werbeaussage - zumindest auch - auf ein Verfahren zur Behandlung einer Krankheit bezieht. Hinsichtlich der Einordnung der Nikotinsucht als Krankheit wird vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts unter I.2.b Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. med. H in seiner Stellungnahme vom 25.01.2002 mitgeteilt hat, Nikotinsucht sei ein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild.

Aufgrund der Anzeige erlangt zumindest ein nicht völlig unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen das erkennende Gericht gehört, den Eindruck, dass ein sicherer Erfolg versprochen wird. Unerheblich ist, ob Interessenten sich vor einer Anmeldung nochmals telefonisch nach den Erfolgsaussichten erkundigen.

Der hervorgerufene Eindruck, ein Erfolg sei bei der Teilnahme an dem beworbenen Seminar mit Sicherheit zu erwarten, wird fälschlich erweckt. Auf die Ausführungen des Landgerichts unter I.3.bb wird Bezug genommen. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe selbst nicht substanziiert behauptet, der in der Werbung in Aussicht gestellt Erfolg sei bei sämtlichen Seminarteilnehmern sicher zu erwarten. Der Beklagte hat auch in der Berufungsbegründung hierzu nichts vorgetragen. Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung konnte er nicht angeben, wie er den Begriff Nichtraucher überhaupt definiert, d.h. wie lange ein Raucher nicht mehr rauchen darf, um als Nichtraucher zu gelten. Er hat geäußert, wenn jemand anschließend wieder anfange zu rauchen, so liege dies bei jedem selbst und nicht an seiner Methode.

Mangels substanziierter Darlegungen des Beklagten (Baumbach/Hefermehl, aaO, § 3 UWG Rdn. 120) ist daher anzunehmen, dass die streitgegenständliche Werbung irreführend ist

3. Die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung umfasst auch das Verbot, es wissentlich zu dulden, dass durch andere Personen entsprechend geworben wird. Der Antrag auf Untersagung, die Werbung zu dulden, ist daher bereits als Minus im Antrag auf Unterlassung der Werbung enthalten.

III.

Da die Abmahnung hinsichtlich der Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung berechtigt war, hat der Beklagte auch die Kosten für das vorgerichtliche Mahnverfahren und für das Abschlussverfahren als Aufwendungsersatz nach §§ 683, 670 BGB zu ersetzen. Auf die Ausführungen im Landgerichtsurteil unter 1.5. wird vollumfänglich verwiesen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Gegen die Ermessensausübung des Landgerichts bei der Festsetzung des Streitwertes sind keine Einwendungen ersichtlich. Dem Antrag auf Unterlassung der Duldung der Werbung kommt keine über den Antrag auf Unterlassung der Werbung hinausgehende Bedeutung zu, so dass hierfür kein gesonderter Streitwert anzusetzen ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO n. F. genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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